Meine Kindheit, geboren im April 1952

«Meine Kindheit verlief gut behütet obwohl ich bei meinen Großeltern aufwuchs. Meine Grosseltern waren ganz ok, sehr streng, altmodisch, aber ok. Wir waren sehr arm nur.
Meine Grossmutter konnte und musste hart arbeiten weil mein Opa behindert war. Damals gab es keine Invalidenversicherung. Schlimm war für mich nur, dass meine Oma verbot, Kontakt zu meiner Mutter zu haben. Meine Oma erzählte nichts Gutes über meine Mutter das finde ich heute gar nicht ok (Meine Mutter starb im April 2013 ohne, dass ich sie noch sehen und sprechen konnte. Tut sehr weh.).

Schule und die Zeit danach

Meine Schulzeit war nicht schön für mich, da ich eben arm war und nicht nach der Mode damals gehen konnte. Deshalb wurde ich gehänselt, geplagt, verspottet und auch arg geschupst. War froh, kam ich nach der 8. Klasse raus – musste wegen Krankheit ein Jahr wiederholen – deshalb kam ich in der 8. Klasse raus und musste keine 9. Klasse machen.

Da ich sehr streng von der Grossmutter gehalten wurde, wollte ich mit 17 auch mal meine Welt entdecken. Ging in die Stadt und hatte Freunde die tranken und Rockers waren und drogensüchtig. Damals gab's in Bern das berühmte Uhu welches mir nicht so gefallen hat, sodass es mich mehr auf die Rocker Seite zog.

Mein Grosvater starb 1968, für mich viel zu früh, da er wie mein Vater war. Ich lief damals unter Schock durch Berns Strassen und flüchtete mich zu Rockern, die meine Familie ersetzten. Das glaubte ich halt damals. War einfach sehr schockiert, dass mein Opa – Vater nicht mehr da war.
Ich konnte mich nicht auf was anderes konzentrieren. Suchte dann Liebe bei Männern, die mich nur benützten und mich nicht als richtige Freundin wollten. Ich kehrte dann mal den Spiess um und gab den Männer das zurück, was sie mir antaten. Das alles und so weiter hat aber nichts damit zu tun, dass ich straffällig wurde (Diese Zeit hat mir auch nicht geschadet, da ich sie selber erwählt habe und beim ersten Kind mich dann von dieser Lebenseinstellung immer mehr bis ganz verabschiedet habe.).

Arbeit

Ich fand keine Arbeit, die mich zufrieden stellte und ich musste so monotone Arbeit machen, dass sie mir schnell auf den Wecker ging und ich sie in der Probezeit abbrach. Ich bekam zwei Angebote von der Berufsberatung: Weisnäherin oder Gärtnerin (War für mich ein grosser Schock, eine Beleidigung, ein hinunter machen meiner Person.). Ich sagte mir damals: ‹Wenn ich nicht Automechaniker lernen kann, will ich die anderen zwei Berufe auch nicht.› War falsch aber ich wusste genau, ich breche die Lehre als Weisnäherin oder Gärtnerin ab. Qarum dann die Lehre anfangen? Heute könnte ich alle drei Berufe nicht mehr ausüben (seit 1984 nicht mehr) wegen meinen Behinderungen.

Vormund

Das alles hat dann dazu beigetragen, dass ich viel zum Vormund musste. Alle 14 Tage – Graaaaaaaaaa. Den bekam ich weil meine Eltern geschieden wurden. Was kann ich dafür, dass meine Eltern sich scheiden wollen? Oder geschieden sind? Ich arbeitete gegen den Vormund weil ich dachte, ich krieg ihn so los. Niemand sagte mir in dieser Zeit, dass es falsch ist.

Grossmutter

Das schreckliche in meinem Leben fing erst jetzt richtig an. Meine Oma wurde krank und musste ins Spital. Da holte mich eine Frau in der Wohnung der Oma ab und sagte: ‹Wir fahren zu ihr ins
Spital.› Die Reise ging aber nicht ins Spital, sie ging nach Walzenhausen Appenzell Inner- oder Ausserroden. Kaum war ich dort, wurde mir ein Zimmer gezeigt wo ich schlafen darf. Ich bekam Platzangst so eng war das Zimmer. Das Fenster stand offen oder war nicht geschlossen. Im Schockzustand flüchtete ich aus dem Fenster wollte einfach zur Grossmutter ins Spital. Weiss heute noch nicht, wie das ging. Ich kannte ja den Weg nicht von Walzenhausen nach Bern (wie im Traum – Albtraum flüchte ich zu den Rockern nach Wil, blieb dort eine Weile und irgendwann ging ich nach Bern oder wurde von den Rockern nach Bern gebracht. Im Albtraum-Zustand eben weiss ich nicht genau wie ich nach Bern kam.) Mein Weg in Bern war auch zum Vormund und er sperrte mich mal 14 Tage im Schockzustand ins Weisenhaus Gefängnis Bern. Als ich nach zwei Wochen raus kam und seinen Anweisungen nicht folgte –  nochmals 14 Tage Gefängnis. Kam raus, musste zu einer Frau Böhlen. Es war sehr schlimm bei ihr, ich wurde sehr klein vor ihr, die Frau war sehr hart. Hab diese Frau noch heute vor Augen, so eine sehr harte, unbarmherzige Frau. Ich glaube eine verbitterte Frau.

Hindelbank, mit 19 Jahren, circa 1971-1974, 3 Jahre

Die Frau Böhlen Bern meinte da bin ich gut aufgehoben. Hindelbank war für mich nicht schlimm, da ich ja noch unter Schock stand. Es kam erst mit der Zeit, wo ich merkte, dass ich ja gefangen war, im richtigen Gefängnis – im Frauen Gefängnis Hindelbank. Spazierte auch ein paar Mal mit einer Mörderin in der Pause auf dem Hof. Komisch war, ich war braun drin, administrativ, aber ich trug blaue Anstaltskleidung. Mit der Zeit gewöhnte man sich an die Kleidung, hatte ja keine andere. Die Holzschuhe taten am Anfang sehr weh aber mit der Zeit lief man halt überall durch die Gänge mit den Holzschuhen. Man konnte nur schwer andere Schuhe beim verlassen von Hindelbank anziehen. Der Herr Meier erfreute mich auch immer sehr wenn ich zu ihm musste. Einmal musste ich auch zu ihm, weiss nicht mehr um was es ging, aber als ich zurück in die Zelle oder zur Arbeit wollte sackte ich auf dem Gang zusammen – Kreislaufkollaps. Kein Arzt war da? Als ich erwachte aus die Koma sass nur eine Nonne in der Zelle an meinem Bett und hielt doch liebevoll meine Hand (Vergesse ich nie die einzige Liebe die ich dort bekam.). Hätte ja sterben können bei dem Kollaps. Macht ja nichts, wäre nur eine in Hindelbank gestorben? Weiss nicht mal wie lange ich weg war. Die Waschküchen-Arbeit tat ich noch gerne weil der Herr Zender mich immer mal ins Büro rief und ich ein gutes Sandwhich bekam. Ich musste aber dafür schuften an den grossen Schwingen. Hab auch schon mit zwei anderen Frauen den ganzen Heizraum geputzt mit Garage, kein Problem für eine nicht grad starke Frau? Am Sonntag durfte ich zu Herr Meier in sein Haus abwaschen gehen, wenn die Meiers Besuch hatten oder die Frau die Arbeit nicht machen konnte. Das Positive daran war, dass ich nicht in der Zelle war.

Oberbau Hindelbank

War vom einzigen Urlaub wo ich nicht zurück kam auch noch im Oberbau in Hindelbank. Es war auch toll noch mehr eingeschlossen, sah noch weniger Menschen. Im dunklen Cascho war ich auch sicher  zweimal (Schade hab ich damals noch nicht gerne in der Bibel gelesen, dann hätten mich wenigstens die Verse getröstet.). Hindelbank ist einfach Hindelbank – kommst von einem grossen Schock nicht raus, nur harte Arbeit und Schweigen erhält dich am Leben. Mich hat es so hart gemacht, dass ich zu anderen Frauen auch sehr hart wurde und war das, wenn sie was brauchten, zum Beispiel Zigaretten. Heute tut es mir dass sehr leid wie ich mich gegenüber den Frauen verhalten habe. Man musste in Hindelbank überleben – leider so. Hab sogar meiner Lieblingsnonne mal was an den Kopf geworfen. Sie konnte nichts dafür. Eine Nachricht hat mich sehr traurig und wütend gemacht. Nach 40 Jahren kann ich mich an die Nachricht nicht mehr erinnern nur an die Nonne.

Mein Leben nach Hindelbank

Selbstmord Versuche, lange Medikamenten-Abhängkeit. Kalte Entzüge in der Psychiatrie (heute nicht mehr). Platzangst, Schwellenangst, Panik Attacken (noch heute). 2 Scheidungen 3 Kinder weg, an Pflegeplatz 1, Adoption 2.

Konnte meine Kinder nie ganz in mein Herz schliessen und konnte auch nicht um sie kämpfen – alles wegen Hindelbank. Musste sogar eine Mauer zu meinen Kindern aufbauen, dass ich alles verarbeiten konnte – noch heute. Eines musste ich abtreiben lassen durch Ärzte und Ehemann. Sie sagten: Ich oder das Kind. Meine Stimme wurde für das Kind überboten.
Mir blieb ja nur eine Heirat – Ehe – wer findet nach Hindelbank schon eine anständige Arbeit? Es gibt wenige Ausnahmen. Wenn mich Chefs fragten: ‹Wo warst du 1971-1974, wo hast du gearbeitet?› Ich konnte nicht lügen.

Lebe heute sehr menschenscheu, trau selten Menschen, lebe sehr zurückgezogen und in Armut. Baue heute noch eine Mauer auf zwischen mir und Menschen. Auch der Psychiatrie kann ich kein Vertrauen mehr schenken. Bin froh erhalte ich eine Existenzminimum-Invalidenrente.
Kann aus gesundheitlichen Gründen nur kurz Besuch empfangen und kann auch mit
keinem Mann mehr zusammenleben weil ich die Hausarbeit für zwei gesundheitlich nicht mehr schaffe. Kann nicht mehr alleine reisen wegen den Angstattacken. Nicht mal nach Bern oder Zürich (wer sagt schon ich hole dich und bringe dich wieder nach Hause? Betteln tu ich nicht).

Hab einfach mein Leben nach Hindelbank nicht auf die Reihe gekriegt. Bis circa 1999-2000.
War wie im ewigen Schockzustand bis circa 1999-2000. Mein Leben hat sich positiv verändert weil ich 1984 circa ins Koma fiel (fiel ins Koma wegen Beruhigungstabletten, Name Sürmontil, bekommen von der Psychiatrie Basel). Hab 1999 angefangen zu die Heilige Schrift zu studieren, das hat mir sehr geholfen (dass ich merkte: doch du bist was wert, du kannst was für die Menschen tun. Ich predige sehr gerne. Was ich predige, lebe ich auch.). Von da an konnte ich ein Leben führen, das positiver wurde, aber es war zu spät, weil meine Behinderungen zulässt, noch was zu tun. Damit meine ich eine Arbeit zu tun, die ich gerne machen würde. Nach zwei Ehen und zwei Scheidungen (Ein Ex-Mann ist gestorben) hätte ich noch viel Zeit, aber bin zu alt um noch was zu lernen. Auch bin ich nicht mobil und lebe sehr abgelegen. Der PC ist das einzige was mich mit der Aussenwelt verbindet. Wenn jemand noch Fragen hat oder was wissen möchte, dann bin ich da.

PS:

Am liebsten wäre ich nach Hindelbank nur Hausfrau geworden, aber das kam leider nicht so. Meine zwei Ehemänner nahmen meine Hausarbeit und Pflichten als Ehefrau und Mutter nicht ernst – war ihnen überhaupt nicht wichtig. Alleine hatte ich auch nicht die Kraft, die Ehe aufrecht zu halten mit allem drum und dran (Aus Glaubensgründen kommt für mich nur eine Ehe in Frage, kein nur Beziehung.). Wohl auch weil mein zweiter Ehemann Ausländer war und wir fast daran zerbrochen sind, an den vielen Behördengänge bis er nach 22 Jahren Schweizer wurde. Es war schlimm, ich wurde wegen dem Ausländernamen nach der Heirat immer als Ausländerin und nicht als Schweizerin auf den Büros empfangen. Es hiess einmal von einem Herrn in einem Büro: ‹Lassen sie sich scheiden, dann helfen wir ihnen.› Ich liess mich aber Jahre danach, nicht wegen der Aussage, scheiden, weil wir heirateten nicht, dass mein Mann in der Schweiz bleiben konnte. Wir wollten zusammen sein.

Mein Leben heute

Ich wünsche niemandem, dass er so den Rest seines Lebens verbringen muss, wie ich es muss.
Hab auch viele Schmerzen, psychische und körperliche. Das einzige was mich heute noch am Leben hält ist die Hoffnung, die mir die Heilige Schrift gibt. Lese sehr gerne in der Heiligen Schrift und lebe so gut ich kann danach. Mein Hund ist mein einziges Vermögen und noch eine Katze (musste ich vor kurzem platzieren wegen dem Asthma) und mein Laptop sind sozusagen mein Vermögen in weltlicher Sicht – und die Heilige Schrift für meine Seele.

Mein Trost-Vers ist:
Jesaja 25:8 Er wird den Tod verschlingen ewiglich, und der Herr wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben alle Schmach seines Volks in allen Landen; denn der Herr hat gesagt. Offenbarung 21:4 und Gott (Gottes Name yhwh oder yahweh) wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.

Das wünsche ich allen, die Gelitten haben und immer noch sehr leiden. Auch allen,
die uns helfen und für uns kämpfen. Ich wünsche uns allen eine ganze Entschuldigung, eine finanzielle Entschädigung. Unser Lohn. Unsere Rente. So wie es Ursula Biondi sagt.»

 

Am 7. November 2013 um 12:23 geschrieben