«Mit 15 Jahren lernte ich meine leibliche Mutter kennen, bei der ich kurze Zeit wohnte. Am 16. Geburtstag drückte sie mir die Koffer mit 100 Franken in die Hand und sagte, ich solle jetzt selber mit meinem Leben klar kommen. So begann meine Odyssee durch Europa. Ich wollte zur Seefahrt, aber es kam anders. Am Schluss landete ich mit 16 Jahren im Arbeitslager in Dietisberg/BL.
Ich verstand die Welt nicht mehr. Was hatte ich gemeinsam mit Kriminellen, Drogensüchtigen und geistig Verwirrten? Ich wurde auf unbestimmte Zeit eingewiesen, weggesperrt von der Gesellschaft, um arbeiten zu lernen, als würde man es auf einem Bauernhof nicht lernen. Zum Essen gab es nur altes verdorbenes Zeug. Die Schweine lebten im Gegensatz zu uns Insassen direkt paradiesisch. Krank oder Unfall gab es nicht. Wer nicht mehr konnte, wurde zur Arbeit geprügelt. Es gab nur gesund oder tot. Wir mussten im Winter Holz schlagen. Am Abend hatte es Eis in unseren alten Nagelschuhen vom Militär. Wir versuchten, mit Zeitungen in den Schuhen das schlimmste zu verhindern. Oft hatten wir Frostbeulen an den Füssen. Viele sind freiwillig wieder ins Gefängnis zurückgegangen. Man konnte damals wählen zwischen 3 Jahren Gefängnis oder 1 Jahr Arbeitslager Dietisberg/BL. Viele von denen, die ich kannte, haben Selbstmord begangen, weil sie es nicht mehr schafften, durchzuhalten.Ich denke an meine damaligen Mitinsassen, die tot sind; wie Hans T. und Beat H. aus Basel, Res F. aus Bern und viele andere, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnere. Ich möchte nur einmal vom damaligen Direktor Herr Thoma und seinem Sohn Res eine Entschuldigung hören für all das Unrecht, das damals so vielen männlichen Jugendlichen angetan wurde.
Im März 1977 haute ich ab in die französische Fremdenlegion.
Ich hatte es in der Legion schöner als im Arbeitslager Dietisberg/BL. Es gab normales Essen und Trinken. Zwar war die Ausbildung streng, aber so etwas Menschenverachtendes wie im Arbeitslager Dietisberg/BL gab’s nicht. Es ist das erste Mal, dass ich über diese Zeit berichte. Es fällt mir schwer, es einfach zu vergessen. Bisher war diese Zeit mein Geheimnis, von dem niemand etwas wissen sollte. Das ist nun 30 Jahre her.
Eine moralische Wiedergutmachung ist deswegen wichtig, damit die Betroffenen und ihre Nächsten endlich zur Ruhe kommen können.
Eine Entschuldigung seitens der Behörden bedeutet für uns Anerkennung für den erlittenen seelischen Schmerz der uns widerfahren ist.»